Neue Notiz
Cranko
Visionär, Diva, Kind
Nach Bekanntwerden seiner Homosexualität hatte man John Cranko in London buchstäblich von der Bühne gejagt. Nun soll der Choreograf Anfang der 1960er Jahre in Stuttgart das Opernhaus neu beleben.
Schon der Name klingt sperrig. Cranko, das krächzt und kratzt im Hals. Aber er selbst sei noch unbequemer, warnt der Starchoreograf den Generalintendanten Walter Erich Schäfer, als der ihn gerade zum Direktor des Stuttgarter Balletts ernannt hat. John Cranko kann sein Glück kaum fassen. Nach Bekanntwerden seiner Homosexualität hatte man ihn in London buchstäblich von der Bühne gejagt. Nun soll er Anfang der 1960er Jahre in der baden-württembergischen Landeshauptstadt das Opernhaus neu beleben. Ausgerechnet er, das gebrochene Genie, mit der tiefen Traurigkeit im Blut.
Nach seinem Goebbels-Film FÜHRER UND VERFÜHRER hat Joachim A. Lang einen Ballett-Film gedreht. Kein Biopic, betont der Regisseur, stattdessen handele CRANKO von „Kunst und Wirklichkeit“. Für so große Worte braucht es ein entsprechendes Maß an Pathos, Ehrgeiz und Eleganz. All das findet Lang in Sam Riley, der die Höhen und Tiefen in Crankos Leben bis zu seinem überraschenden Tod im Juni 1973 ebenso verinnerlicht zu haben scheint wie dessen bahnbrechende Choreografien. Sein Ballettmeister ist ein Visionär, eine Diva, ein Kind. Hinter dem kettenrauchenden Exzentriker steckt ein Getriebener, filterlos und frei, der keine Ruhe finden kann, solange er einsam ist und sich selbst nie genug.
Anders als Crankos nuancierte, dramatische Bewegungsabläufe auf der Bühne verläuft die Geschichte im Film eher geradlinig und vorhersehbar. Jedem privaten Rückschlag begegnet der 1927 in Südafrika geborene, ausgebildete Tänzer in seinem Schaffen mit noch mehr Haltung und innovativen Ideen. Die Radikalität und Schönheit seiner modernen Inszenierungen bringen ihn und seine Stuttgarter Kompanie schließlich bis nach ganz oben. Auf eine triumphale Spielzeit an der Metropolitan Opera im Jahr 1969 folgten Tourneen in der ganzen Welt, u.a. nach Israel, Paris und in die Sowjetunion.
Aber was zählt, ist, dass Lang im Film einen wunden Punkt berührt: „Schritte können viele, Tanzen nur wenige“, sagt Cranko am Anfang zu seinem neuen Ensemble. Und dem Regisseur gelingen in seiner fließenden Inszenierung immer wieder kurze Gänsehautmomente, in denen die Luft mit jener universellen emotionalen Kraft aufgeladen scheint, die sich hinter den präzisen Bewegungen verbirgt.
Originaltitel: John Cranko
Deutschland 2024, 133 min
Genre: Biografie
Regie: Joachim A. Lang
Drehbuch: Joachim A. Lang
Kamera: Philipp Sichler
Schnitt: Jan Pusch
Musik: Walter Mair
Verleih: Port-Au-Prince Pictures
Darsteller: Sam Riley, Lucas Gregorowicz, Hanns Zischler, Friedemann Vogel, Elisa Badenes
Kinostart: 03.10.2024
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Vorführungen
Cranko
(John Cranko) | Deutschland 2024 | Biografie | R: Joachim A. Lang
Nach Bekanntwerden seiner Homosexualität hatte man John Cranko in London buchstäblich von der Bühne gejagt. Nun soll der Choreograf Anfang der 1960er Jahre in Stuttgart das Opernhaus neu beleben.
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