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Juliette im Frühling

Wer ist schon normal?

Episodenhaft und mit viel absurder Alltagskomik erzählt die französische Regisseurin Blandine Lenoir von einer schrulligen Familie, in der alle auf ihre Weise mit den Gespenstern der Vergangenheit umgehen.

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Juliette illustriert Kinderbücher, trägt farbenfrohe Wollpullover und wirkt auch sonst wie Typ sorgenloser Sonnenschein. Als sie ihre Familie in der Provinz besucht, um den Haushalt ihrer Großmutter aufzulösen, wird jedoch schnell klar, dass es ihr nur so mittelmäßig geht. Ist es eine depressive Episode oder: „die tragische Dimension“? So nennt Juliettes neue Bekanntschaft Pollux das, was andere nicht als Depressionen sehen oder aussprechen wollen. Dabei haben hier alle auftretenden Figuren ihre Höhen und Tiefen, allen voran Juliettes ältere Schwester, die den Umzug der Großmutter ins Altersheim organisiert, den sich vor Demenz fürchtenden Vater umsorgt und die Eskapaden ihrer Hippie-Mutter aushält. Gleichzeitig empfängt sie in ihrer heilen Familienwelt von Dienstag bis Donnerstag einen Liebhaber, der ihr als Bär oder Gespenst verkleidet ein Stück Leichtigkeit zurückgeben soll.
Als Juliette auftaucht, geht sie als Nesthäkchen der Familie dem auf dem Grund, was tief verborgen in der traumatischen Familienvergangenheit liegt.

Episodenhaft und mit viel absurder Alltagskomik erzählt die französische Regisseurin Blandine Lenoir davon, wie unterschiedlich Depressionen aussehen können: Von Schlaflosigkeit über Panikattacken bis hin zu dem vagen Gefühl, sich einfach nicht entscheiden zu können, was man will – im Leben und manchmal schon bei der Bestellung im Café. Die Vorlage dafür bietet die autobiografisch inspirierte Graphic Novel „Juliette: Gespenster kehren im Frühling zurück" von Camille Jourdy. Ihr feiner Zeichenstil überträgt sich gekonnt auf die Leinwand: Das Publikum schaut Juliette über die Schulter, wenn sie mit Bleistift und Wasserfarbe ihre Gefühlswelt auf Papier bringt. Es fällt leicht, mit dieser liebenswert schrulligen und dabei doch alles andere als ungewöhnlichen Familie mitzufühlen. Denn wer ist schon normal, welche Familie hat keine Gespenster, die sie nicht rufen wollte? Juliette und ihre menschlichen wie tierischen Weggefährten machen diese Fragen auf charmante Weise zugänglich.

Anna Hantelmann

Details

Originaltitel: Juliette au Printemps
Frankreich 2024, 95 min
Genre: Komödie
Regie: Blandine Lenoir
Drehbuch: Maud Ameline, Camille Jourdy, Blandine Lenoir
Kamera: Brice Pancot
Schnitt: Héloïse Pelloquet
Verleih: Pandora Film Medien GmbH
Darsteller: Izïa Higelin, Sophie Guillemin, Salif Cissé, Jean-Pierre Darroussin, Noémie Lvovsky
FSK: 12
Kinostart: 18.07.2024

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