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A Killer Romance

Nettes Date Movie

Als ein Undercoveragent, der als Auftragskiller posiert, wegen eines Skandals abgezogen wird, muss der Literaturprofessor Gary als Fake-Killer einspringen.

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Richard Linklater ist am berühmtesten für seine Generationenporträts der (späten) Baby Boomer und Gen X. Sein Debüt SLACKER (1990) bestand aus Episoden endlos quasselnder Nichtstuer und fing sehr genau das Klima seiner Zeit ein.

In DAZED AND CONFUSED (1993) feierten Teenager den letzten Schultag im Jahr 1976. Mit der BEFORE SUNRISE/SUNSET/MIDNIGHT-Trilogie (1995/2004/2013) erzählte er die Liebesgeschichte des Amerikaners Jesse und der Französin Céline über 20 Jahre, und im über 12 Jahre gedrehten BOYHOOD (2014) wurde Mason von einem achtjährigen verträumten Jungen zum jungen Erwachsenen auf dem Weg zum College. Zwischendurch drehte Linklater immer wieder nette Komödien und seltsame Science Fiction Filme mit einer großen Zuneigung für Träumer und Außenseiter.

HIT MAN aka A KILLER ROMANCE wirkt, als hätte Linklater ihn zur Entspannung gedreht: eine romantische Komödie über den schüchternen, ambitionslosen, geschiedenen College-Professor Gary (Greg Kinnear), ein Hobby-Elektrotüftler, der nebenbei für die Polizei als Abhörtechniker arbeitet. Als ein Undercoveragent, der als Auftragskiller posiert, wegen eines Skandals abgezogen wird, muss Gary als Fake-Killer einspringen. Gary macht seine Sache überraschend gut und bringt von nun an reihenweise Leute vor Gericht, die glauben, mit einem bezahlten Killer ihre Probleme lösen zu können.

Gary entwickelt für seine vermeintlichen Auftraggeber*innen jeweils den perfekten Killer. Mal ist er ein düsterer russischer Mafioso, mal ein verschwitzter Hinterwäldler, mal ein cooler Man in Black. Für die junge Madison, die ihren kontrollsüchtigen Ehemann beseitigen will, erfindet er den coolen Ron. Madison, ein echtes Dream Girl, scheinbar schüchtern, harmlos und verzweifelt, steht auf Ron, und Ron/Gary lässt sie vom Haken, weil er ebenfalls verknallt ist. Natürlich gibt es eine leidenschaftliche Affäre, ohne dass Madison weiß, dass „Ron“ gar kein superharter Killer ist, sondern ein netter Uni-Professor. Dass Madison auf den Killer steht, und nicht auf den harmlosen Gary, ist allerdings nicht das Problem, um das es im Film geht, sondern um einige Hindernisse und Verwirrungen mit Ex-Ehemännern und düpierten Kollegen. Das ist schade, weil die Verkennung des/der Anderen als Voraussetzung des Codes, der üblicherweise „Liebe“ genannt wird, das interessanteste Thema in dieser Geschichte wäre.

Linklater verschiebt das Problem auf die Frage nach Identität. Im Kino, nicht nur im US-Film, kommt dazu, dass Killer wesentlich einfacher zu porträtieren sind als Uniprofessoren. Was die eigentlich in ihren Seminaren und Vorlesungen so treiben, ist im Film kaum darstellbar, und vor allem selten relevant für die Story. Lydia Társ Seminar über Bach in Todd Fields TÁR erscheint nur auf den ersten Blick wie eine Ausnahme, aber auch da ging es nicht um den Kontrapunkt, Polyphonie oder die Form der Fuge, sondern um Postkolonialismus, politisch-ästhetische Moral sowie um Lydias Arroganz und Brutalität. Gewöhnlich sehen Seminare im Film so aus, als gäbe es an der Uni vor allem goldene Lebensweisheiten und Selbstfindungskurse. Gary bringt seinen Studierenden bei, dass sie ihre Identität nach ihren Vorstellungen selbst konstruieren können. Das bringt eine sanfte Ironie ins Spiel, denn der Wunsch, als Fake-Killer eine Fake-Romanze mit einer Killer-Verehrerin in Gang zu bringen, ist dann doch etwas weiter hergeholt.

A KILLER ROMANCE ist ein ganz nettes Date-Movie. Mit Linklaters Hauptwerken hat der Film nicht viel gemein, aber jede*r muss auch mal Geld verdienen.

Tom Dorow

Details

Originaltitel: Hit Man
USA 2023, 113 min
Genre: Action, Thriller, Krimi, Komödie
Regie: Richard Linklater
Drehbuch: Richard Linklater, Glenn Powell
Kamera: Shane F. Kelly
Schnitt: Sandra Adair
Musik: Graham Reynolds
Verleih: Leonine
Darsteller: Glen Powell, Adria Arjona, Retta
Kinostart: 04.07.2024

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